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Besprechung "Gesänge der Stille"
in
Singende Kirche 53 (2006) Heft 11, Seite 288-289
durch Prof. Dr. Franz Karl Prassl
Kösel Verlag München
Gregor Baumhof, Gesänge der Stille. Mit dem Gregorianischen Choral meditieren.
Ein Übungsbuch mit CD. Kösel Verlag München 2006. 176 S. mit beigelegter
CD, zahlreichen Notenbeispielen und färbigen Abbildungen. ISBN 3-466-36721-2.
Fr. Gregor Baumhof OSB, Mönch der Abtei Niederaltaich und bekannter Choralmagister,
legt mit dieser Publikation ein Buch vor, dessen Hauptziel die Erschließung
und das Eindringen in die spirituellen Dimensionen der Gregorianik für
heutige Menschen ist. Das Buch ist "für alle jene bestimmt, die ein Bedürfnis
spüren, sich ihr geistliches Leben von der Kraftquelle des Gregorianischen
Chorals her vertiefen und bereichern zu lassen" (S. 9). Der Autor hat
als seine Konsequenz aus dieser Ausrichtung "auf jeden wissenschaftlichen
Anspruch bewusst verzichtet" (ebenda). Die akustische, optische und kommentierende
Einführung in die Gregorianischen Gesänge (der häufig verwendete Terminus
"Lied" erscheint dem Rezensenten wohl etwas zu pädagogisch-volkstümlich)
erfolgt anhand der Gattungen Antiphon, Introitus, Responsorium breve und
Hymnus, also ohne die melismatischen Gattungen mit Ausnahme des Graduale
'Tu es Deus', das gewissermaßen als Motto dem Ganzen voran steht. Die
Präsentation der Gesänge erfolgt in vier Schritten: Abdruck des Gesangs
samt Übersetzung - Hörbeispiel auf der beiliegenden CD - Textanalyse -
Melodieanalyse.
Das vorgestellte Repertoire ist am Weihnachtsfestkreis vorkonziliarer
Prägung orientiert: vom 1. Adventsonntag bis zum Fest Darstellung des
Herrn, allerdings mit Gesängen in der postkonziliaren Ordnung (z.B. Introitus
'Laetetur cor'). Im Zentrum stehen die sieben klassischen O-Antiphonen,
die auch zusammen mit Farbbildern meditiert und mitgesungen werden können,
Bilder von Glasfenstern von Bernhard Schlagemann. Wesentlicher Bestandteil
des Projektes ist die beigelegte CD, die Fr. Gregor mit seinen Münchener
Scholaren aufgenommen hat, als Solisten hört man u.a. auch den Meister
selber. Die Abdrucke der Offiziumsgesänge stammen, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, aus dem Liber Hymnarius und dem Antiphonale Monasticum 2005
(mit Neumen aus dem Codex Hartker versehen, wo möglich), es werden auch
diese Fassungen gesungen (sieht man in den O-Antiphonen vom H statt B
beim "doppelten Torculus" ab - warum wohl?). Die Messgesänge entsprechen
den Restitutionen der Beiträge zur Gregorianik (Dass bei den Introiten
die Verse in nicht restituierter Form gesungen werden, darf als kurios
vermerkt werden).
Die Übersetzungen der Gesänge stammen vom Autor selber, sie sind sehr
gut gelungen und von großer sprachlicher Eindrücklichkeit. Die Textkommentare
sind im Sinne der oben genannten Verzichtserklärung des Autors spirituelle
Impulse, welche assoziativ meist von der Gedankenwelt heutiger Menschen
ausgehen und die Hintergründe historischer Theologie und Spiritualität
öfters ausblenden. Das hat seine Stärken und auch seine Schwächen. Baumhof
ist eben bemüht, aktuelle Frömmigkeitstendenzen mit der Gregorianik zu
konfrontieren und damit zu befruchten und zu vertiefen, das gilt insbesondere
auch für den Begriff "Meditation". Vielleicht wäre das Buch mit der Hereinnahme
von etwas mehr klassischer liturgischer Theologie - vor allem bei den
Hymnen - noch tiefsinniger geworden. Die Betrachtungen zur Melodie orientieren
sich an gängigen Deutungsmodellen und sind als Hinführung zum Gegenstand
auch außer-halb der Frömmigkeitsseite durchaus geeignet.
Die 33 behandelten Gesänge sind alle auf einer CD zu hören, die das professionelle
Niveau der Gruppe leicht erkennen lässt. Ein hohes Maß an Homogenität
und Wohlklang zeichnet das Singen der Herren aus, obschon dies gegen Ende
der CD nicht immer ganz perfekt durch-gehalten wird. Dass Fr. Gregor in
der Tradition der semiologischen Schule steht, wird allenthalben hörbar,
weniger in den Hymnen, die mehr in jener klösterlichen Singpraxis stehen,
die das Metrum gerne gegen den Wortakzent bürstet.
Das vorliegende Buch ist - bei allen diskutierbaren Anmerkungen - eine
wertvolle Hinführung zum gregorianischen Choral und seiner eigentlichen
Intention, nämlich der eines Glaubenszeugnisses, das nichts an Aktualität
verloren hat. Es ist gut geeignet für eine Erstbegegnung mit einer faszinierenden
Welt, die entdeckt werden will und einer umfangreichen Erschließung bedarf,
ein klassisches Buch für den Klosterladen, das in freundlicher Weise demonstriert,
was klösterlicher Liturgie passiert und wo es lang geht. Aber nicht nur:
es gehört in die Hand aller, die sich konfrontieren wollen mit dem, was
unsere Vorfahren geglaubt haben und wie sie dies künstlerisch artikuliert
haben. Das Buch ist ein gutes Beispiel für einen der möglichen Wege, Gregorianik
interessierten Menschen heute zu vermitteln. Es eignet sich in seiner
ansprechenden optischen Aufmachung auch gut als Geschenk.
Franz Karl Praßl
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